28.07.2022 von blip
Die zurückhaltende, aber anspruchsvolle Kamera und sparsam eingesetzte Musik lassen dem Protagonisten viel Raum und laden zum Beobachten und Zuhören ein. Wir wollten ein bißchen mehr über die Entstehung des Clips wissen und haben Yannick Galaske zur Herangehensweise beim Drehen gefragt, welche Kameras er verwendet (Pocket Cinema Camera 6K / Pro), wie der Schnitt abläuft und nicht zuletzt, wie man einen Profi-Fußballer wie "Ody" vor die Linse bekommt.
Im Moment sein - improvisierte Drehs
Yannick, wie bist du zum Filmen gekommen?
Im Jahr 2020 fingen mein bester Freund Felix und ich an, 30-minütige Dokumentarfilme zu produzieren - wir wollten inspirierende Geschichten erzählen über Themen, für die wir uns selbst interessierten. Da wir beide große Fußballfans sind, war es naheliegend für uns, diesen Bereich zu wählen.
Während wir erste Erfahrungen mit der Dokumentarfilmarbeit machten, merkten wir beide, dass wir diese Arbeit lieben, was uns schließlich dazu brachte, unsere Jobs zu kündigen und Anfang 2022 unsere eigene Produktionsfirma namens 5moreminutes zu gründen. Ich kümmere mich um die Kameraführung und den Schnitt, Felix um die Organisation. Neben Doku-Formaten produzieren wir auch Werbe- und Imagefilme, um das Geschäft am Laufen zu halten. Unser Schwerpunkt und unsere Leidenschaft liegt jedoch darin, authentische Geschichten über Menschen zu erzählen, die ihre Träume verfolgen.
Also eine Art "Learning by Doing"?
Ja, diese Dokumentarfilme waren für mich eine gute Möglichkeit, meine Kameraführung, Beleuchtung und Erzählweise zu verbessern.
Man kann über Netflix und Co. sagen, was man will. Was ich aber sehr schätze, sind die zahllosen gut gemachten Doku-Formate auf Netflix, die in Kinoqualität daherkommen. Früher war ich nur die typisch "deutsche" Art von Dokumentarfilmen gewohnt, und die sind oft sehr altmodisch – das Grading und die Lichtstimmung sehr einfach, ohne jede Atmosphäre. Ich möchte dagegen eine cinematische Stimmung mit unseren kleinen Filmen transportieren.
Wir stehen ja noch am Anfang und müssen oft Kompromisse eingehen, aber ich hoffe, dass wir das Niveau unserer Produktion und unseres Erzählens weiter steigern können und es hoffentlich eines Tages auf die große Leinwand schaffen, damit mehr Menschen unsere Arbeit sehen und wahrnehmen können. Das ist mein Traum.
Wie kam es zu dem Video mit Ody?
Der Doku-Clip mit Ody ist Teil unseres Projekts "Ausherzspiel", das interessante und authentische Persönlichkeiten aus der Fußballwelt in den Mittelpunkt stellt. Ody ist dabei unser erster, aktiver Sportler als Protagonist. Zuvor hatten wir nur Gelegenheit, mit zwei Ex-Spielern und einem ehemaligen Fußballtrainer zu arbeiten. Als absolute Nobodys in der Branche war es ziemlich schwer, die Aufmerksamkeit ehemaliger oder aktiver Profis zu bekommen. Ich bin nicht gut im Reden, also hat Felix alle Agenturen und mögliche Protagonisten selbst kontaktiert, bis einer nach dem anderen bereit war, an unserem Format teilzunehmen.
Die ersten Folgen haben eine ganz passable Zuschauerzahl erreicht. Die Leute wurden auf uns aufmerksam und nahmen uns ernster, und so kamen wir in Kontakt mit Ody, was ein großes Ding für uns war. Wir haben telefoniert, und etwa zwei Wochen später haben wir ihn fünf Tage lang in Portugal besucht. Felix und ich wurden dabei von unserem Freund Deniz unterstützt, der Ody interviewt hat.
Inwieweit hattet ihr mit so einem Profi als Protagonisten denn inhaltlich freie Hand? Wurde eine Art „Imagekontrolle“ seitens Benfica ausgeübt?
Bevor wir mit Ody drehen durften, brauchten wir natürlich das Einverständnis des Vereins. Da Ody mega Bock auf das Projekt hatte, ist er selber proaktiv auf den Verein zugegangen und hat den Kontakt für uns hergestellt. Wir haben Benfica dann kurz geschildert, was wir vorhaben, welche Themenpunkte wir bespielen möchten und wo uns der Support vom Verein helfen kann. Benfica war superangetan von dem Konzept und hat daraufhin selber noch Vorschläge für Inhalt und Locations zum Drehen gemacht. Die Unterstützung von Seiten des Vereins war echt unglaublich. Egal welch wilden Vorschlag wir hatten, Benfica hat alles dafür getan, dass er uns ermöglicht wird...
Wir waren ehrlicherweise überrascht, wie wenig vom Verein regelmentiert wurde. Bis auf eine kleine inhaltliche Korrektur gab es keine Änderungswünsche vom Verein bezüglich der Veröffentlichung.
Was sind die kreativen und technischen Herausforderungen bei diesen Clips?
Da wir nur ein Team von zwei Personen sind, müssen wir oft minimalistisch und improvisiert vorgehen. Wir packen nur wenig ein und haben nicht viel Ausrüstung dabei (wir haben sowieso nicht viel, haha). Trotzdem wollen wir, dass unsere Arbeit einen professionellen Look hat. Am Anfang war das eine echte Herausforderung.
Ich habe beispielsweise Interviews oft mit nur einem oder zwei Lichtern ausgeleuchtet, oder sogar ganz ohne Licht gearbeitet. Eine 30-minütige Dokumentation habe ich mal mit nur einer einzigen Brennweite gedreht. Ich hatte auch nur einen 1,5 ND 4x5,6 in der Matte Box, weil wir uns damals keine andere Stärke leisten konnten und ich nicht mit aufschraubbaren ND-Filtern herumfummeln wollte. - Technische Einschränkungen wie diese zu meistern hat mich letztlich zu einem deutlich besseren und entspannteren Kameramann gemacht.
In kreativer Hinsicht haben wir meist keine strikte Shot-Liste, an die wir uns halten, sondern wir arbeiten mit dem, was wir vorfinden oder was uns während des Drehs einfällt. Natürlich haben wir eine bestimmte Richtung im Kopf, in die wir mit unserer Geschichte gehen wollen, aber die ist meist nicht schriftlich ausformuliert. Denn als wir damals anfingen, haben wir ziemlich schnell gemerkt, dass egal wie genau wir etwas planen, immer etwas nicht so läuft, wie wir es wollen. Deshalb stellen wir uns auf einen "Run and Gun"-Stil ein, vor allem wenn wir dokumentarisch drehen, und lassen die Situationen sich vor uns entfalten. Auf diese Weise sind wir nicht eingeschränkt und immer offen für neue Ideen, die wir vor Ort bekommen. Das trägt auch zur Authentizität der Clips bei.
Wie ist eure erzählerische Herangehensweise?
Unsere Dokus sollen so unverfälscht wie möglich sein. Wir versuchen, die Momente vor der Kamera natürlich entstehen zu lassen und ihnen Raum zum Atmen zu geben - keine Musik, keine Schnitte, manchmal keine Fragen.
Wir sind einfach im Moment mit dem Protagonisten und erleben das Leben so, wie er es tut. Diese Momente können ganz unterschiedlich sein: der Gang zum Fußballplatz und das Anziehen der Fußballschuhe für das Training, Rituale vor dem Spiel, wenn z. B. der Torwart seine Handschuhe für das große Spiel am nächsten Tag vorbereitet, oder ganz alltägliche Dinge wie Yoga auf der Terrasse oder einfach nur Motorradfahren oder Zeit mit der Familie verbringen.
Wir möchten, dass die Zuschauer die gleiche Leidenschaft empfinden wie unser Protagonist und von ihr eingenommen werden. Im Idealfall verblasst so viel von der Welt um sie herum und die Zeit vergeht so unbemerkt, dass sie sich sagen müssen, "nur noch fünf Minuten". So sind wir auf den Namen unserer Produktionsfirma gekommen. Und das ist auch der Grund, warum wir immer noch an lange Formate glauben, selbst auf Plattformen wie YouTube.
Kamera- und Objektivwahl, Rigging etc.
Mit welcher Kamera arbeitest du und warum?
Die Blackmagic Pocket Cinema Camera 6K Pro ist meine Hauptkamera in voller Ausstattung, und die Pocket 6K ist meine B-Cam bei Interviews. Unnötig zu erwähnen, dass die internen NDs der Pro-Kamera meine Lieblingsfunktion bei Dokumentarfilmen sind...
Ich schätze ganz einfach die Benutzerfreundlichkeit - die Blackmagic-Kameras haben mir die Augen dafür geöffnet, wie alle Kameras funktionieren sollten. Die Benutzeroberfläche ist einfach zu navigieren und die Einstellungen lassen sich sehr schnell vornehmen. Sie ist sehr intuitiv zu bedienen und ich habe mehr Zeit, mich auf meine Aufnahmen zu konzentrieren, anstatt mich durch das Menüsystem zu wühlen.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist Blackmagic RAW. Die Arbeit mit einem so flexiblen Codec, der einfach zu bearbeiten und zu graden ist, war ein absoluter Wendepunkt. Vor allem mein Grading hat sich sprunghaft verbessert, da ich die Bilder jetzt besser nach meinem Geschmack bearbeiten kann.
Wenn ich Dokumentarfilme drehe, nehme ich eine Menge Material auf. Die kleinen Dateigrößen, die ich durch die 12:1-Komprimierung auf einem SSD-Laufwerk ohne spürbare Kompromisse erhalte, sind ebenfalls ein großes Plus, vor allem für meinen Geldbeutel.
Und schließlich liebe ich den "filmischen" Charakter der Bilder, die ich mit der Kamera aufnehme, selbst wenn ich keine komplexen Beleuchtungstechniken verwende. Ich kenne die Kamera mittlerweile in- und auswendig und kann so ziemlich jede Situation mit ihr meistern.
Trotzdem haben wir seit Neustem jetzt auch eine ARRI Amira. Die verwende ich in Kombination auch mit unseren Blackmagics.
Und welche Objektive verwendest Du mit der Blackmagic Pocket?
Ich verwende hauptsächlich vier Objektive. Eines davon ist das Sigma Art 18-35mm F1.8, das ein wunderbares Allround-Objektiv für so ziemlich jeden Job ist. Die anderen drei sind alte Contax-Zeiss-Objektive, die ich selbst auf EF umgerüstet habe. Bisher habe ich das 28mm, das 50mm und das 85mm, und ich habe vor, bald in die 18mm-Version zu investieren.
Das Objektiv, das ich in letzter Zeit am häufigsten benutzt habe und das ich jedem anderen vorziehen würde, wenn ich müsste, wäre das Contax 28mm F2.8. Die 28mm-Brennweite gibt mir einen interessanten und filmischen Look, und der Charakter der Contax-Zeiss-Objektive, die in den 1970er und 80er Jahren gebaut wurden, ist sehr einzigartig. Ich bin kein Bokeh-Experte, aber ich finde es sehr cremig. Außerdem sind sie sehr kontrastreich und streuen selbst bei direktem Sonnenlicht kaum. Das 28mm-Objektiv ist außerdem sehr vielseitig und eignet sich für so gut wie jede Situation. Ich habe mehrere Dokumentarfilme zu 90% mit diesem Objektiv gedreht und bin der Meinung, dass sein Charakter den Geschichten und dem Gesamtbild zugute kommt.
Wie kontrollierst du den Fokus bei den Aufnahmen?
Da alle meine aktuellen Kameras keinen Autofokus besitzen, ziehe ich die Schärfe immer selber. Damit habe ich schon früh angefangen, da ich immer die volle Kontrolle über meine Aufnahmen haben möchte - auch schon als ich noch mit einer Sony a6300 unterwegs war. Bei meiner Hauptkamera bzw. meiner geriggten Cam benutze ich einen kleinen Followfocus von Lanparte mit optionalen Hard Stops und damit komme ich bestens zurecht. Beim Filmen von Interviews, wo ich zwei Kameras oder mehr bedienen muss, wünschte ich mir allerdings doch schon manchmal den Autofokus zurück, das kann ich nicht abstreiten. Der würde mir auf jeden Fall etwas Stress abnehmen :)
Wie gehst du an das Rigging der Kamera heran?
Als ich meine erste Pocket-Kamera gerigged habe, versuchte ich, sie so groß und "professionell" wie möglich aussehen zu lassen. Aber nach ein paar eintägigen Drehs und Reisen wurde mir schnell klar, dass ich mich auf das wesentliche Zubehör konzentrieren und das Setup so einfach und sauber wie möglich halten sollte, vor allem, wenn ich es für den Transport regelmäßig abbauen muss.
Allerdings macht mir das Rigging auch Spaß. Daher verwende ich derzeit den Smallrig-Cage, der eine Baseplate, 15-mm-Stangen und einen oben angebrachten Griff umfasst. Oben am Griff habe ich meinen Atomos Ninja V Monitor. Vor dem Objektiv habe ich eine Zip Box Pro Matte Box von Wooden Camera und den Lanparte Follow Focus. Für die Stromversorgung verwende ich V-Mount-Batterien.
5 Drehtage, 5 Terabyte Material
Was findet sich noch so in deiner Kameratasche und warum?
Jede Menge Gaffa Tape, denn ich finde immer Wege, Dinge kaputt zu machen und muss sie dann reparieren. Außerdem gibt es immer wieder Kabel, die gesichert werden müssen oder Stellen, die markiert werden müssen. Wir benutzen es für absolut alles! Dann natürlich ein Schraubenzieherset, falls ich an mein Rig justieren muss. Und eine große Tasche mit verschiedenen ästhetischen Filtern für meine Objektive, denn ich bin besessen davon, neue Filter auszuprobieren und verschiedene Looks zu kreieren.
Noch kurz zum Schnitt: Wie läuft der bei euch ab? Wie viel Material habt ihr gedreht?
Bei Ody hatten wir knapp 5 Terabyte an Material für 5 Drehtage...
Bei solch größeren Produktionen setze ich mich am Anfang immer mit Felix zusammen und wir gehen dann gemeinsam erstmal durch das Interview, um einen roten Faden bzw. eine Grundstory zu schaffen. Danach sichten wir die O-Töne und Atmo-Shots, die wir uns in bestimmten Situationen geholt haben, und schauen wie wir diese in die Story einbauen können und welche wir als Übergänge zwischen den einzelnen Themenpunkten benutzen können.
Wenn das steht, sichte ich die Schnittbilder und ordne sie kategorisch zu. Dann habe ich einen guten Überblick über das Material, das wir zur Verfügung haben und aus dem ich mich bedienen kann.
Bevor ich mich dann an den eigentlichen Schnitt mache, suche ich Musik raus, die mir dabei helfen kann, den Vibe zu transportieren, den ich für das Projekt im Kopf habe. Das macht mir in der Regel am meisten Spaß, da Musik für mich wie eine Art Soße ist, die alles erst zusammen bringt. Mit der Zeit habe ein ganz gutes Gespür dafür gefunden, wann ein Moment von musikalischer Untermalung profitiert und wann nur der reine Atmosound ein noch immersiveres Feeling beim Zusehen erzeugt. Davor hatte ich den Zwang, immer Musik im Hintergrund laufen zu lassen.
Anschließend geht es dann an den eigentlichen Schnitt und zum Schluss kommen dann das Color Grading, sowie Audio Design.
Was hast du beim Drehen dieses Projekts gelernt?
Generell lerne ich bei jedem Projekt etwas. Sei es über das Setzen von Licht, Ton, Framing oder wie ich mit dem Protagonisten agiere. Bei dem Projekt von Ody speziell aber haben sowohl Felix als auch ich insbesondere etwas über die Logistik und Organisation gelernt. Für uns war es der erste Dreh im Ausland und dementsprechend konnten wir nicht einfach all unser Equipment mitschleppen, sondern waren auf Rentals angewiesen.
Gleichzeitig war es auch unser längster Dreh mit insgesamt 5 Drehtagen. Wir mussten uns also viel mit Ody und dem Verein absprechen, Termine koordinieren, Dinge besorgen und so weiter. Da das nicht zu unseren absoluten Stärken zählt bzw. viel Neuland für uns war, waren wir diesbezüglich ein wenig angespannt vor der Reise. Wir haben das aber gut gelöst und sind an den alltäglichen Herausforderungen während des Drehens stetig gewachsen und ich glaube das hat uns besonders für zukünftige Projekte dieser Art gestärkt.
Und gibt es schon Pläne für den nächsten Ausherzspiel-Clip?
Ausherzspiel war vom Start weg ein Herzensprojekt und wir haben uns die Storys immer sehr bewusst ausgesucht, ohne einen Veröffentlichungsplan oder ähnliches zu haben. Mit der Gründung unserer Produktionsfirma 5moreminutes sind die Slots für Herzensprojekte leider rar geworden.
Wir sind trotzdem immer auf der Suche nach unerzählten Geschichten, die es lohnt in einer Dokumentation aufzubereiten - das Projekt haben wir von Beginn an aus eigener Tasche finanziert, weshalb wir beide immer von den Protagonisten und Geschichten überzeugt sein müssen.
Es wird in Zukunft definitiv weitere Ausherzspiel-Folgen geben, da uns z. B. auch Geschichten außerhalb von Deutschland und Europa wahnsinnig reizen. Ein bisher unerfüllter Wunsch von uns ist eine Dokumentation in einem asiatischen Land wie z.B. Japan oder Südkorea.
Odysseas Vlachodimos: Vom Abstellgleis in die Champions
League | Ausherzspiel Dokumentation
Eine Produktion von 5moreminutes
Yannick Galaske | Kamera, Regie, Schnitt / Instagram
Felix Meisel | Produzent, Konzept, Idee
Denis Kaya | Redaktion
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