29.07.2023 von Rob
Zum Einsatz kam die ALEXA 35 bei uns in folgendem Setup: ARRI Production Set bestehend aus Compact Bridge Plate und dazugehörigem Dovetail, Articulated Mounting Plate, Viewfinder Mounting Bracket, B-Mount Powerdistribution Module, MVF-2 Viewfinder sowie UBS-3 Handgriffset. Die Energieversorgung übernahmen Hochstromakkus von Bebop (B290 Cine), die sowohl 14,4 als auch 28,8V bedienen können.
90 Prozent unserer Aufnahmen wurden mit dem von uns sehr geschätzten Sigma High Speed Zoom 18-35 T2 (Cine) gefilmt. Für Close-Ups kam ein Zeiss Compact Prime 90 mm zum Einsatz. Schatten spendete unsere Chrosziel Mattebox, manuelle Schärfe wurde ebenfalls mit einem Chrosziel Follow Fokus gezogen. Für Schulteraufnahmen (Close Ups) haben wir unseren vielfach bewährten Shape Quick Release Handle montiert. Als Stativ kam das Sachtler Flowtech 100 mit FSB Kopf zum Einsatz.
Drehfertig kam unser ALEXA 35 Kamera-Setup damit auf ca.13 kg - ein Gewicht, das wir bei den Schulteraufnahmen durchaus gespürt haben.
Unser Tip: Für leichtere, mobile Setups empfehlen wir 90er WH Akkus und das ARRI Lightweight Set - hier lassen sich auf jeden Fall noch ein Paar Kilos einsparen ...
Hauttöne und Reveal Colorscience
Mit der ARRI ALEXA 35 haben wir erstmalig mit ARRIs neuer Colorscience „Reveal“ unter Praxisbedingungen Erfahrungen sammeln können. Und hier hat sich tatsächlich einiges getan, weil ARRI quasi eine komplett neue Colorengine von Grund auf implementiert hat.
Diese setzt mit einem neuem Debayer Algorithmus (ARRI Debayer Algorithm ADA-7) früh in der Signalverarbeitung ein. Ebenfalls zur neuen Reveal Colorscience gehört ein neues mathematisches Model, um die Helligkeit einzelner Farbtöne akkurat bestimmen zu können. Hinzu kommt ein komplett neu entwickelter Farbraum ARRI Wide Gamut AWG4 (minimal größer als REC 2020) und schließlich noch eine neue Log-Kurve (LogC4) mit einer Reihe an neuen Transferfunktionen (LogC4 LUTs).
Da wir ausschließlich in ARRI RAW auf Codex Compact Drives (2TB) aufgenommen haben, stand uns mit 13 Bit die maximale Farbtiefe der neuen ARRI Reveal Colorengine zur Verfügung. Bei den Textures sind wir dem bisherigen ARRI-Look treu geblieben und haben mit K445 die bekannte Standard ARRI-Textur gewählt. Den Weißabgleich haben wir vor Ort via Graukarte abgenommen.
In der Postproduktion mit DaVinci Resolve 18.5 zeigte sich dann auch gleich die hervorragende Umsetzung der neuen Colorscience - und dies gleich in mehreren Punkten. So hatten wir nur minimal mit dem bekannten „Green-Tint“ von ARRI zu tun. Dieser lässt sich zwar recht einfach bei der Farbkorrektur eliminieren – aber schön zu sehen, dass er bei „Reveal“ bei unseren Testshots stark reduziert war.
Bereits das einfache Anlegen der offiziellen LogC4>REC709 LUT generierte eine hervorragende, neutrale Hauttonwiedergabe, die einen bestmöglichen Startpunkt für das anschließende Grading zur Verfügung stellt. Das ARRI Alexa 35 RAW Material ist traumhaft einfach in der Farbkorrektur zu verarbeiten und stellt für uns klar die neue Referenz beim Thema Hauttonwiedergabe dar.
Beim Betrachten unserer Close-Up 4.6K Aufnahmen mit Caro fällt uns darüber hinaus eine exzellente Schärfeverteilung auf, für die ebenfalls ARRIs neue Colorscience verantwortlich sein dürfte:
So findet sich eine höhere Schärfe-/Kontrast-Verteilung um die Augenpartien und eine sehr homogene und fein abgestufte Hautton-/Kontrastwiedergabe in den Wangen- und übrigen Gesichtspartien. Genau so müssen unsere Ansicht nach Gesichter wiedergegeben/gerendert werden.
Kompliment an ARRI für diese hervorragende Hauttonwiedergabe.
Dynamikumfang in der Praxis
Besonders gespannt waren wir, ob sich die exzellente Dynamikperformance der ARRI Alexa 35 aus dem slashCAM Testlabor auch in der Praxis wiederfinden würde. Die kurze Antwort hierauf lautet: Ja -und dies mit beeindruckender Performance:
Bei unseren Testaufnahmen wechseln wir häufig die Frameraten um sowohl einen Eindruck von der Echtzeit als auch von diversen Zeitlupenformaten zu erhalten. Bei der ARRI Alexa 35 waren dies neben 24p auch 75p sowie 120p. Alle Aufnahmen sind mit einem Shutterangle von 180° entstanden. In Verschlusszeiten übersetzt bewegen wir uns hier also zwischen 1/48 und 1/240 Sekunde.
Wir sind es gewohnt, bei einem entsprechenden Wechsel beispielsweise von der maximalen Zeitlupe von 120p hin zu 24p die Belichtung entsprechend anzupassen, weil Highlights hier schnell clippen können – nicht so bei unserem Alexa 35 Testdreh. Egal mit welchr Framerate wir unterwegs waren: Wir haben im False-Color keinen Clipping-Bereich zu Gesicht bekommen. Eine wirklich beeindruckende Dynamikperformance.
Zwar empfehlen wir trotzdem die Belichtung entsprechend anzupassen, um in der Postproduktion mehr Kohärenz zu haben, doch vom technischen Monitoring her wäre das nicht nötig gewesen. Tatsächlich fiel es uns nicht leicht, die ARRI ALEXA 35 clippen zu lassen.
Beeindruckt waren wir auch von der Farbkonstanz von Hauttönen bei starkem Gegenlicht.
Bei diesem Shot sieht man bei starkem Sonnenlicht perfekte Zeichnung in den Highlights bei zeitgleich ausgezeichneter Hautton und Farbwiedergabe in den Schattenbereichen.
Damit stellt die ARRI ALEXA 35 auch in der Praxis ihre beeindruckende Dynamikperformance unter Beweise. Klare Dynamik-Referenz im High-End Bereich für uns.
13 Bit 4K ARRI RAW und DaVinci Resolve
Schnitt und Farbkorrektur des ARRI ALEXA 35 Raw Materials erfolgten wie stets auf unserem MacBook Pro M1 Max in Davinci Resolve 18.5. Die Datenrate des 4.6K 13 Bit RAW Materials liegt bei rund 4,5 Gigabit/s pro Sekunde. Auf dem Redaktionsrechner konnten wir damit unsere 24p Timeline bestehend aus 24, 75 und 120 fps Material inkl. Farbkorrektur nahezu ohne dropped Frames in 4K abspielen.
Wer die maximalen Bildraten der ARRI ALEXA 35 im RAW-Betrieb voll ausnutzen will, sollte jedoch bei den Codex Compact Drives aufpassen: Die 1 TB Variante schafft in 4.6K Open Gate „nur“ 35 fps. Wer die vollen 75 fps nutzen möchte, muss die 2 TB-Variante nutzen. Für die ProRes Aufzeichnung spielt die Compact Drive Größe hingegen keine Rolle.
Wie gewohnt lässt sich ARRI-RAW im MXF-Wrapper in DaVinci Resolve problemlos verarbeiten. Im RAW-Entwicklungsmodul stehen die gängigen Optionen zur Verfügung und wer metadaten-basierte Aufnahmedaten wie ISO, Whitebalance, etc. nachträglich ändern möchte, kann dies nach Herzenslaune tun.
Und apropos Metadaten: DaVinci Resolve 18.5 stellt aktuell einige zentrale Metadaten der ALEXA 35 zur Verfügung – jedoch in eher überschaubarem Umfang. Hierzu zählen Firmware-Version der Kamera, Aperture (wenn elektronisch übertragen) und ein Paar andere Daten.
Wer eine umfassendere Auflistung der Metadaten der ALEXA 35 benötigt, dürfte mit dem ARRI Reference Tool das passendere Werkzeug finden.
Hier lassen sich neben den Metadaten auch unterschiedliche Look-Varianten betrachten sowie Transcodings in andere Formate wie ProRes, OpenEXR etc. vornehmen. Vor allem für schnelle Workflows am Set sehen wir das ARRI Reference Tool sehr gut geeignet.
Fazit
Die ARRI ALEXA 35 verschiebt die Grenzen des Machbaren im bereits auf sehr hohem Niveau agierenden, aktuellen ARRI Cinekamera-Portfolio in den Bereichen Dynamikumfang und Colorscience nochmal um einen Schritt, der nicht nur im Testlabor sondern auch in der Praxis deutlich zu spüren ist.
Mit der ALEXA 35 darf ARRI damit bei den klassischen Kamera-Tugenden erneut die Referenz für sich beanspruchen. Das Filmen mit der Alexa 35 bringt sowohl beim Dreh als auch in der Postproduktion viel Freude – eine höherwertigere Bildqualität dürfte im Cine-Bereich aktuell kaum zu finden sein.
Doch die Konkurrenz schläft nicht. Sony hat mit der Venice 2 beeindruckende Rolling Shutter Zeiten am Start und RED hat mit seinem hocheffizienten RAW-Codec ebenfalls (noch) ein Ass im Ärmel. Und wie sich die großen Cine-Player beim wichtigen Zukunftsthema Virtual Production letztendlich aufstellen, ist bislang noch völlig offen – wir sind sehr gespannt, wie sich die Cine-Zukunft gestaltet ...
Unsere Test-Alexa 35 kam von Seeyourent in Berlin, die mittlerweile über zwei ARRI ALEXA 35 verfügen: Ein super freundliches, stets kompetentes Rental Team :-)
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