Es wogt ein Machtkampf der Filmstudios mit den Kinos

Die Coronakrise und die dadurch problematische Situation der Filmstudios und Kinos verschärft einen weiteren, schon länger schwelenden Konflikt: den zwischen Studios und Kinos. Den Anfang der Eskalation machte das große Filmstudio Universal mit einer an und für sich verständlichen Neuerung: da aufgrund der Coronakrise alle Kinos geschlossen waren und alle geplanten Filmpremieren so platzten, verlegte Universal diese ins Netz und machte die Film per Premium Video-On-Demand (VOD) so allen Zuschauern weltweit zugänglich.


Der Erfolg gab Universal recht: die VOD-Premiere von "Trolls World Tour" erzielte mit 100 Millionen Dollar in drei Wochen mehr Einnahmen als der erste Troll-Film bei seiner Kinopremiere 2017. Auch davor startete Universal schon mehrere Filme (“The Invisible Man,” “Emma" und “The Hunt”) per VOD. Für Filmstudios hat eine Online Premiere einen großen finanziellen Vorteil, müssen sie doch die Einnahmen für einen Film nicht mit den Kinos teilen, denn - grob geschätzt - bekommen die Studios von den Einnahmen per Kinoveröffentlichung ca. 55%, vom Geld per VOD aber rund 80%.


Trolls World Tour
Trolls World Tour

Universal fühlt sich durch diesen Erfolg ermutigt und kündige darauf an, auch in Zukunft - also nach der Coronakrise, weiterhin Filme zum Start auch Online (dann parallel zum Kinostart) anzubieten. Was - erwartungsgemäß - zu einem großen Aufschrei der Kinobetreiber geführt hat und dem Vorwurf, die Coronakrise nur für eine schon lange geplante Machtverschiebung auszunützen.



Die Kinos werten das als den ultimativen Angriff auf die bisherige Regelung, welche Kinos in der Filmauswertung bevorzugt: erst kommt ein neuer Film in die Kinos, danach erst wird er online oder auf DVD/Blu-ray veröffentlicht. Durch diese zeitweilige Exklusivität (üblicherweise 3 Monate) eines neuen Films können Kinos mit verlässlichen Einnahmen rechnen, die stark vermindert wären, wenn ein neuer Film auch gleichzeitig online zu sehen ist.



Dann gäbe es für Zuschauer, die einen neuen Film sehen wollen, die Wahl zwischen dem relativ teuren Kinoerlebnis (zwischen 8-18 Euro pro Ticket) für einen großen Hollywood-Blockbuster und dem Heimkino auf einem Fernseher oder sogar groß per Beamer für nur ca. 15 Euro (für 48h)- mit so vielen Zuschauern wie ins Wohnzimmer passen. Für Kinos wäre das finanziell ein schwerer Schlag, ziehen doch gerade die Premieren neuer Filme besonders viel Publikum und sorgen so für große Einnahmen.



Die weltweit mit rund 1000 Kinos größte Kinokette AMC hat als Reaktion darauf jetzt angekündigt, Universal Filme künftig zu boykottieren - die zweitgrößte (Cineworld/Regal) hat sich jetzt diesem Schritt angeschlossen - beide fürchten um ihr Geschäft, und daß andere Studios es Universal gleichtun. Immerhin haben laut AMC CEO die anderen Filmstudios versprochen, nach der Wiedereröffnung der Kinos zur alten Regel - also dem exklusiven Filmverwertungsfenster für Kinos - zurückzukehren. Universal dagegen will VOD- und Kino-Filmpremieren parallel stattfinden lassen. Aber mit dem Boykott hat der Machtkampf eine neue Eskalationsstufe erreicht - wie geht es weiter: schließen sich noch weitere Kinoketten dem Boykott an? Knickt Universal ein?



Schwer einzuschätzen ist, wie erfolgreich eine VOD-Filmpremiere sein wird, wenn die Kinos wieder geöffnet sind und für viele Zuschauer wieder eine Alternative bieten. Und wie sich so eine parallele Kino- und VOD-Filmverwertung in Zukunft im Endeffekt auf die Einspielergebnisse eines Films im Vergleich zum klassischen Modell (erst Kino, dann die weitere Verwertung) auswirken wird, muss sich erst noch zeigen. Der amerikanische Kinoverband NATO (National Association of Theatre Owners) jedenfalls geht davon aus, daß der PVOD Erfolg von "Trolls World Tour" vor allem auf die Ausnahmesituation durch Corona zurückzuführen ist. Wäre das so, würde Universal ein großes Risiko eingehen mit seinem Schritt.


Emma
Emma

Auch eine weitere Entwicklung dürfte den Kinos nicht gefallen: die Academy of Motion Picture Arts and Sciences wird aufgrund der Coronakrise für die nächsten Oscars eine Ausnahme von der bisher eisernen Regel machen, daß Filme erst mindestens 7 Tage im Kino gelaufen sein müssen, bevor sie für einen Oscar prämiert werden können. Ein verständlicher Zug, da aufgrund der Kinoschliessungen viele geplante Kinostarts nicht stattfinden konnten und der Zeitplan wahrscheinlich zu knapp wird, um alle Starts nachzuholen - sollten die Kinos überhaupt in absehbarer Zeit wieder aufmachen. Somit wären viele Filme für die Teilnahme am Oscar-Rennen dieses Jahr von vonrnherein disqualifiziert.





Zudem wird es wohl aufgrund der vielen abgebrochenen bzw. verschobenen Filmproduktionen auch deutlich weniger Filme als sonst in diesem Jahr geben. Die Kinos befürchten, dass die neue (Ausnahme-)Regelung auch nach der Krise weiter gilt - war sie doch in den letzten Jahren schon von Seiten der großen Streaminganbieter wie Netflix untergraben worden, welche ihre Eigenproduktionen prestigeträchtigerweise auch für die Oscars nominieren wollten und diese deshalb pro forma kurz in ausgewählten Kinos zeigen ließen.



Wann allerdings und zu welchen Bedingungen (Nur mit Mundschutz? 1.5 Meter Abstand der Sitze? Vorerst nur Open-Air oder Autokinos?) Kinos ihren Betrieb wiederaufnehmen können können, steht noch in den Sternen. Bis dahin könnte Universal schon einen Präzedenzfall für die Auswertungsregeln für die Zeit nach der Krise etabliert haben und die Krise der Kinos noch weiter verschärfen.



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