Scorsese und Coppola vs. Marvel: Was ist Kino?

Martin Scorsese ("Taxi Driver", "Goodfellas",...) hat in den letzten Wochen eine Kontroverse losgetreten (und später noch weiter befeuert), die immer weitere Kreise zieht und immer mehr Hollywood-Größen dazu bewegt sich, auch zu positionieren. Scorsese hatte in einem Interview gesagt, dass er zwar versucht hätte, Filme aus dem extrem erfolgreichen Marvel Cinematic Univese (MCU) (wie etwa Avengers, Spider Man, Iron Man oder Black Panther) anzuschauen, das aber aufgegeben hätte.


Die Filme sind nach seiner Meinung kein Kino ("that´s not cinema") - er vergleicht sie mit Vergnügungsparks. Scorsese wörtlich: "Es ist nicht das Kino von Menschen, die versuchen, einem anderen Menschen emotionale, psychologische Erfahrungen zu vermitteln." Scorsese plädiert statt dessen für mehr narrative Filme.



Nun hat auch Altmeister Francis Ford Coppola (unter anderem bekannt durch "Apocalypse Now", "Der Pate") Partei ergriffen und sich im Sinne Scorses geäußert: "Wenn Martin Scorsese meint, dass Marvel kein Kino ist, dann hat er recht, denn wir erwarten, im Kino etwas Neues zu lernen, neue Erfahrungen, Wissen oder Einsichten zu gewinnen. Ich weiß nicht, ob jemand davon etwas hat, den gleichen Film wieder und immer wieder zu sehen. Martin war noch nett, als er sagte, das sei kein Kino. Er sagte nicht, dass es abscheulich ist, das ist was ich jetzt sage."



Erwartbar widersprechen natürlich Regisseure und Schauspieler der von Scorsese kritisierten Marvel Filme seinen Aussagen. So erwiderte Samuel L. Jackson (Nick Fury im MCU): "Ich meine, das ist, als würde man sagen, dass Bugs Bunny nicht lustig ist. Filme sind Filme. Jeder mag seine Sachen auch nicht".


Scorsese und Coppola vs. Marvel: Was ist Kino?

Der Comicautor Kevin Smith dazu: "Martin Scorsese ist ein Genie. Aber um ehrlich zu sein, meine gesamte Filmkarriere - schon vor meiner Filmkarriere - hat er so ziemlich dasselbe über Actionfilme gesagt... ich denke, dass Martin Scorsese den größten Superheldenfilm aller Zeiten gemacht hat, nämlich The Last Temptation of Christ".



Und der Regisseur ("Guardians of the Galaxy") James Gunn: "Martin Scorsese ist einer meiner 5 Lieblingsfilmemacher. Ich war empört, als die Leute The Last Temptation of Christ kritisierten, ohne den Film gesehen zu haben. Ich bin traurig, dass er jetzt meine Filme auf die gleiche Weise beurteilt. "



In Scorseses Augen schließen sich das aktuelle Unterhaltungskino, das viel auf Effekte und Spektakel setzt, und das Erzählen von Geschichten also offenbar aus. Daher müsse man verhindern, dass die Lichtspielhäuser vollständig von solchen Werken eingenommen werden. Auch wenn er sie am Anfang als Beispiel genannt hat, dürfte sich seine Kritik dabei nicht mehr nur auf die MCU-Abenteuer, sondern auf viele Blockbuster allgemein beziehen.



Die Kontroverse dreht sich eigentlich ganz um die Definition was eigentlich "cinema" / "Kino" ist - jeder Film, der dort läuft (die einfache Definition) und die Zuschauer einfach mehr oder weniger gut unterhält, oder nur "großes" Kino im Sinne von echter Kunst, also Filme, die - wie Coppola sagt - neue Einsichten vermitteln.



Wobei - näher besehen - auch die Marvel Filme natürlich allgemeine menschliche Geschichten erzählen, sei es der Konflikt zweier Brüder (wie in Thor) oder andere zwischenmenschliche Probleme nebenbei behandeln, nur dass die Protagonisten keine normalen Menschen, sondern mit Superkräften ausgestattete Helden sind (aber das waren eigentlich Homers Helden auch - übermenschengroß mit menschlichen Makeln behaftet).



Die Frage ist wahrscheinlich aber auch: wie ernst nimmt ein Film die Schicksale seiner Protagonisten? Sind sie nur erzählerisches Beiwerk, quasi ein Gimmick inmitten von visuellem Bombast und vielen Scherzchen, oder zentrales Element, Konflikte und der Kampf mit den eigenen Schwächen (und denen anderer) und dem Schicksal, in dem sich auch die Zuschauer wiedererkennen können?



Letztlich kommt es auf die Zuschauer an, die wiederkommen, weil sie sich gut unterhalten fühlen oder auch mal geläutert - beide Arten von Kino werden weiter existieren. Das ist auch die Position, die der englische Schauspieler Benedict Cumberbatch (Doctor Strange im MCU) einnimmt, der in beiden Arten von Filmen mitspielt: "Ich weiß, dass es zuletzt einige Diskussionen gab, nachdem diese großen Filmemacher sich dazu geäußert haben, dass diese Film-Franchises alles übernehmen... Ich stimme ihnen zu. Wir wollen keinen einen König, der alles regiert, sodass es eine Art Monopol gibt. Wir sollten wirklich darauf achten, dass wir Autorenfilme auf jede mögliche Art und Weise unstestützen".



Oder in den Worten von "Spiderverse"-Regisseur Peter Ramsey: "Martin Scorsese is a god. Marvel movies are fun and good. Chill."



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